Gespräch mit


SKART / MASTERS OF THE UNIVERSE


Das altersgemischte Kollektiv SKART / Masters of the Universe hat bisher drei gemeinsame Stücke auf Kampnagel entwickelt – LUCKY STRIKE (2014), SCHLARAFFENLAND (2015) und EXODUS (2016) – eine Trilogie über Glücksversprechen, Überfluss und Leere. Die neue Arbeit TUNIX! hat am 1. November Premiere (siehe S. 12). Anna Teuwen, Dramaturgin auf Kampnagel, kennt die Gruppe seit ihrer Gründung und spricht mit Philipp (34), Mark (34), Charlotte (14), An- ton (13) und Annika (11) nach der ersten Probenwoche über ihre gemeinsame Arbeit, über Arbeit generell, über Flow und Faulsein.


Ihr seid jetzt seit 4 Jahren die Gruppe Masters of the Universe – was überzeugt Euch an der Zusammenarbeit?
Charlotte: Wir sind eine altersgemischte Theatergruppe. Wir machen kein Kindertheater, keine Erwachsenenunterhaltung, sondern Glückstheater für alle – wie es so schön auf unseren Flyern steht. Anton: Eine Sache, die bei uns besonders ist, ist, dass wir keine Stücke nachspielen, sondern uns etwas ganz Neues ausdenken. Und nicht Philipp und Mark denken sich das aus und wir müssen das dann machen, sondern wir denken uns alles zusammen aus.
Mark: Charlotte, Anton und Annika sind auf der Neuen Schule in Hamburg, einer Reformschule, in der es möglich ist, dass die Kinder acht Wochen am Probenprozess teilnehmen und jeden Tag auf Kampnagel sind. Das sind professionelle Bedingungen.
 

Könnt Ihr kurz erzählen, was das Besondere an der Neuen Schule ist?
Annika: Die Neue Schule ist eine demokratische Schule. Wir sind zu fast nichts verpflichtet – nur dazu, uns an Regeln zu halten. Aber die Regeln bestimmen wir selbst. Wir stimmen über jeden ab, der an unserer Schule etwas machen will. Dabei ist uns wichtig, dass der oder diejenige verstanden hat, wie unsere Schule funktioniert. Und natürlich, dass wir das Projekt interessant finden. Philipp: Die Neue Schule ist eine sehr progressive Schule, in der es viel um Eigenverantwortung geht und darum, zu reflektieren. Für uns wart ihr Expert*innen, die sich mit dem auskennen, was wir vorhatten. Am Anfang war noch alles offen, wir haben viel Neues ausprobiert. Mittlerweile hat sich viel schon gefestigt, wir haben bewährte Abläufe, einen gemeinsamen Flow.


Flow klingt gut – könnt ihr mal Euren Flow beschreiben?
Mark: Flow ist, wenn es läuft wie beim Staffellauf, man gibt immer wieder den Stab weiter, und dann katapultiert man sich gegenseitig in die Höhe, es sprüht und schlägt Funken.
Anton: Wir haben einen Flow, wenn wir Texte entwickeln, viel reden und es gut vorangeht.
Charlotte: Jeder wirft was rein, ein paar Fetzen werden mitgeschrieben und dann ist der Text zwar noch nicht ganz fertig, aber meistens schon ganz gut. Ich finde, das sind immer die besten Texte, die so im Flow entstehen.
Was ist die Vorbereitung für die Textarbeit? Wie fangt Ihr an?
Annika: Wir haben uns viele O-Töne angehört und Aus- schnitte von Filmen angesehen. Dann sammeln wir, was uns dazu einfällt und spinnen das weiter. Mark und Philipp bringen meistens Dokumentarfilme mit, weil sie sich dafür interessieren. Charlotte interessiert sich eher für Musikvideos, und wenn sie in der Probenzeit etwas sieht, was zum Stück passt, bringt sie es mit und wir schauen es gemeinsam an. So ist es bei jedem von uns.
Anton: Ich habe bei allen Stücken bisher die Musik gemacht. Das macht mir Spaß. Diesmal bauen wir eine Musik-Maschine, mit der ich komponiere.


Nervt Euch manchmal etwas an der Zusammenarbeit zwischen den Generationen?
Philipp: Früher haben uns Ältere oft genervt, wenn das große Ganze aus dem Fokus geraten ist, denn dann müssen wir die Orga-Typen sein, die daran erinnern, was wir vorhaben. Ich empfinde es als positiv, dass bei euch Jüngeren das Gefühl für die Stimmung, die Verantwortung immer weiter wächst.
Mark: Jetzt, wo sich der Prozess immer besser selbst organisiert, wird es immer angenehmer und schöner.
Charlotte: Für mich sind wir alle eigentlich auf einer ähnlichen Ebene. Mark und Philipp sind nicht solche Erwachsene, zu denen ich netter sein muss, als ich normalerweise wäre. Ich bin mit älteren und mit jüngeren Leuten befreundet. Wenn mich etwas nervt, dann Situationen, in denen ich zu Erwachsenen einen Unter- schied machen muss.


Mark und Philipp, wie seid Ihr eigentlich auf die Idee gekommen, mit Kindern zusammenzuarbeiten?
Philipp: Auf Kampnagel haben wir 2012 VON EINEM, DER AUSZOG, DAS FÜRCH- TEN ZU LERNEN für junges Publikum produziert. Von Anfang an war uns klar, dass wir etwas mit erzählen wollen, was auch für Ältere interessant ist. Wir wollten immer ein altersgemischtes Publikum ansprechen. Daraus ist dann die Idee entstanden, die Stücke direkt mit Jüngeren gemeinsam zu produzieren, da kann man sich dann gleichberechtigter und glaub- würdiger damit beschäftigen, was Erwachsene und Kinder jeweils interessiert – und ob es da überhaupt so große Unterschiede gibt, denn daran glauben wir ja mittlerweile gar nicht mehr. Das, was uns im sogenannten Erwachsenentheater gut gefällt, das kommt meist auch bei den Jüngeren gut an.


Meint Ihr, Kinder und Erwachsene sollten generell mehr zusammen machen?
Charlotte: Solange man sich versteht, soll doch jeder etwas zusammen machen, der will!
Mark: Letztendlich ist es doch so, dass immer gute Sachen passieren, wenn Menschen unterschiedlichster Geschlechter, Herkünfte, Stärken und Interessen angstfrei gemeinsam einen kommunikativen Raum aufmachen. Und zwischen Kindern und Erwachsenen passiert so etwas noch immer viel zu selten – in welchen Bereichen auch immer. Die Menschen unterschätzen sich gegenseitig einfach zu sehr. Philipp: In dieser Hinsicht kann man auch die Institution Schule und die Erwerbsarbeit nochmal überdenken, die ja letztlich verunmöglichen, dass der Alltag in einem in- tergenerationellen Austausch stattfinden kann – schon allein zum Leidwesen von Familien, die nur wenig Freizeit miteinander verbringen können. Wäre in der Wirtschaft noch der gleiche Produk- tivitätsdrang aufrechtzuerhalten, wenn Werte, die den Jüngeren wichtig sind, mehr in die Gesellschaft hinein wirken würden? Umgekehrt halten die Strategien des gemeinsamen Spielens und Zeitverbringens wieder Einzug in die Unternehmenskultur, weil erforscht ist, dass sie zu mehr Leistung und kreativem Output führen. Aberwitzig eigentlich.


TUNIX handelt von Faulheit, wie seit ihr darauf gekommen?
Annika: Das neue Stück hat etwas mit dem Deathbox-Text aus EXODUS, unserem letzten Stück, zu tun. Mit der Frage, was eigentlich passiert, wenn man nichts tut ... Die Bäckerinnen-Szene aus EXODUS setzen wir auch fort.

Charlotte: Wir beschäftigen uns nicht nur mit Nichtstun, sondern auch viel mit Arbeit, warum die Menschen arbeiten, was passiert, wenn man zu viel arbeitet ...
Anton: Über Nichtstun wissen wir Jüngeren viel. Mit dem Arbeiten ist es schwerer, weil wir ja noch nicht arbeiten. Philipp: Bei unseren Publikumsgesprächen ist manch- mal die Frage aufgekommen, was eigentlich Arbeit ist. Aus einer Perspektive – der der Älteren meistens – könnte man sagen: Das, was wir hier machen, ist eine Form von Arbeit für die Jüngeren. Wochenlang täglich Pro- benarbeit. Aus der jüngeren Perspektive wird eher gefragt: Was empfinde ich eigentlich als Arbeit – ist das etwas Spielerisches, das mit Begeisterung im Flow entsteht, oder ist es etwas, mit dem ich Anstrengung verbinde? Ist es eine Last oder eine Quahl?
Charlotte: Für mich ist der Unterschied, dass wir Jüngeren kein Geld dafür be- kommen. Das unterscheidet unser Projekt für mich vom Arbeiten.
Philipp: Ich hatte schon oft Gespräche über das Geld- verdienen. Wenn ich die Möglichkeit hätte, das hier zu tun, ohne Geld damit verdienen zu müssen, ich würde es sofort tun. Zeitraum und Ziel des Projekts wären dann nicht mehr an Geldwerte geknüpft. Anton, Du hast schon öfter überlegt, ob Du beim nächsten Stück wieder dabei sein, oder lieber mal eine Pause machen willst. Ich habe mich gefragt, wie es Deine Entscheidung beeinflussen würde, wenn Du Geld für Deine Beteiligung bekommen würdest. Ich denke, dass es ein Vorteil für die Jüngeren ist, dass sie von Geldfragen unbeschwert entscheiden können.
Mark: Was ich wahrnehme ist, dass wir alle bei unseren Proben versuchen, möglichst wenig Arbeit zu haben. Ich habe diese erste Probenwoche als viel weniger arbeitsintensiv wahrgenommen als früher. Es ist wirklich interessant, dass wir uns vom Arbeiten wegbewegen und stattdessen eher zu einem Gestalten kommen, das uns persönlich Spaß macht.


Bei einem Stück über Nichtstun versucht ihr also, möglichst nicht zu arbeiten?
Mark: Wir haben das wahr- scheinlich immer schon versucht – es klappt einfach mittlerweile viel besser.
(Programmheft Kampnagel, November 2017)

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